Titel
Forging Germans. Youth, Nation, and the National Socialist Mobilization of Ethnic Germans in Yugoslavia, 1918–1944


Autor(en)
Mezger, Caroline
Erschienen
Anzahl Seiten
368 S.
Preis
$ 85.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Carl Bethke, Historisches Seminar, Universität Leipzig

Die Dissertation von Caroline Mezger knüpft an Forschungen an, welche die Zeitgeschichte deutscher Minderheiten in Ost- und Südosteuropa zur Zeit des Nationalsozialismus kritisch aufarbeiten. Zu den Ergebnissen gehört die analytische Dekonstruktion von Holismen wie „Grenz- und Auslandsdeutschtum“. Für die beiden Regionen in Nordserbien, Batschka und Banat, stellt Caroline Mezger fest, dass sie weder Objekt „traditioneller“ deutscher Irredentavorstellungen waren, noch primäres Ziel nationalsozialistischer Lebensraum-Ambitionen.

Bis 1918 gehörten die Batschka und der Banat zum Königreich Ungarn. Im 18. Jahrhundert waren dort „Schwaben“ eingewandert, deren Nachkommen sich im 19. Jahrhundert zu assimilieren begannen. Als diese Gebiete am Ende des Ersten Weltkriegs an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen fielen, entwickelte sich eine komplexe „Dreiecks“-Konstellation: Einerseits wurde die Autorität des neuen Staates herausgefordert durch die Bindungen auch vieler Schwaben an Ungarn. Andererseits konkurrierte damit seit den 1920er-Jahren ein „ethnic revival“, im Sinne des Selbstverständnisses als Deutsche. Diese „deutsche Option“ ging aus von aufstiegsorientierten ländlichen Mittelschichten, darunter jüngere Akademiker, die in Deutschland studiert hatten. Repräsentiert wurde dieses Identitätskonzept insbesondere durch den 1920 gegründeten Schwäbisch-Deutschen-Kulturbund. Pro-ungarische Haltungen hatten Rückhalt bei der älteren Generation und unter katholischen Priestern; doch fanden auch hybride Deutungen von Deutschtum, katholischer Zugehörigkeit und post-ungarischer Tradition Verbreitung.

Angesichts der Bedeutung verschiedener Generationen in dieser Konstellation, ist es einleuchtend, dass mit Mezger erstmals eine neuere Studie gezielt nach der Rolle von Jugendlichen fragte. Zu den Quellengrundlagen zählt, neben bekannten deutschen Archiven (Politisches Archiv des Auswärtigen Amts PAAA und Bundesarchiv BA) ,vor allem der Fond Kulturbund im Museum der Vojvodina, Novi Sad, sowie diverse Zeitungen und Zeitschriften, nebst Dokumenten regionaler Archive. Zudem wertete Mezger den Nachlass des NS-kritischen katholischen Pfarrers von Apatin, Adam Berenz, aus. Um sich der Erfahrungsebene ehemaliger Jugendlicher kritisch anzunähern, zitiert sie ferner Auszüge aus 17, von ihr im Stil der oral history geführten Interviews, deren Methode sie in der Einleitung beschreibt, und zu denen im Anhang Kurzbiographien abgedruckt sind. Berücksichtigt wurden Quellen und Literatur vor allem in deutscher und englischer Sprache.

Der erste Teil der Arbeit behandelt die „Zwischenkriegszeit“. Der Schwerpunkt liegt neben der Schule bei kirchlichen und politischen Jugendgruppen. Bei den Deutschen in Jugoslawien setzten sich im „Kulturbund“, nach langen Auseinandersetzungen, die nationalsozialistischen „Erneuerer“ 1939 politisch durch. Den Jugendorganisationen und der Mobilisierung von Jugendlichen kam dabei entscheidende Bedeutung zu. Zugleich vollzogen sich in den 1920er- und 1930er-Jahren rasche Ethnisierungs- und Nationalisierungsprozesse, die zusätzliche Fragen aufwerfen. Mezger nimmt auch die Presse der kirchlichen Jugendarbeit in den Blick, einschließlich der Freikirchen. Die kirchlichen Jungendgruppen erlebten nach 1930, außerhalb des Kulturbundes, zunächst beträchtlichen Aufschwung, gerieten aber Ende der 1930er-Jahre in die Krise. Neben der Kritik am NS, zumal von katholischer Seite, und Auseinandersetzungen mit „Erneuerern“, zeigt Mezger ebenso Schnittmengen mit deutschnationalen, und zum Teil nationalsozialistischen Vorstellungen bei allen Kirchen. Dies betraf zumal die Jugendarbeit, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, etwa bei Lutheranern oder Reformierten.

Der zweite und dritte Teil des Buchs vergleichen die unterschiedliche Entwicklung zweier benachbarter Regionen Jugoslawiens nach der Besetzung 1941: Die Batschka wurde nach Ungarn rückgegliedert, der Banat blieb beim von Deutschland besetzten Serbien. Der Banat hatte im besiegten Serbien eine Sonderstellung: Die Spitzenpositionen der Verwaltung übernahmen Funktionäre der aus dem früheren Kulturbund hervorgegangenen „Deutschen Volksgruppe“. Diese Organisation erhielt zudem weitreichende parastaatliche Rechte zur ideologischen Steuerung und politischen Durchherrschung der einheimischen Deutschen. Dies führte unter anderem dazu, dass die Männer 1942 zur Waffen-SS eingezogen wurden. Zudem trug dies dazu bei, dass es 1941 im Banat Angehörige und Einheiten der „Volksgruppen“-Organisation waren, welche die Verhaftung und Deportation der jüdischen Bevölkerung durchführten. Dem Anspruch nach hatte jeder Deutsche in der „Volksgruppe“ bzw. in der „Deutschen Jugend“ Mitglied zu sein. Jugendliche waren ihrer Propaganda zusätzlich ausgesetzt, weil dieser Organisation auch das deutsche Schulwesen unterstellt wurde. Die Beeinflussung durch Deutschland und den Nationalsozialismus macht Mezger anhand von Propagandamaterial, Zeitungen, und insbesondere Kinder- und Jugendzeitschriften sowie Schulbüchern anschaulich. Die damals von Vielen bewunderten „Reichsdeutschen“ wurden im Banat zugleich präsenter durch die Wehrmacht, das Radio, aber auch in der Klasse durch aus Deutschland entsandte Lehrer. Für junge Menschen dürften die Möglichkeit zu Kursen und Schulungen in Deutschland, etwa für Erzieherinnen, attraktiv gewesen sein. In den Kapiteln zur Kriegszeit gewinnt Mezgers Auseinandersetzung mit den Interviews an Gewicht, zum Beispiel bei den Erinnerungen an die Reise zu einem Schiesskurs der Hitlerjungend in Thüringen. Mezger sieht im Banat wenig Beispiele für Handlungsalternativen und konstatiert zudem die gesellschaftliche Marginalisierung der Kirchen, für Wenige war der ungarische Kulturbund eine Alternative.

Die Besetzung der Batschka 1941 erfolgte durch Ungarn. Das „Volksgruppen“-Protokoll, das Ungarn 1940 als Verbündeter unterzeichnet hatte, sah selbstverständlich nicht den Status der „Volksgruppe“ im besetzten Serbien vor. Die in Jugoslawien aufgewachsenen NS-Funktionäre standen der Rückgliederung nach Ungarn sowie dem Beitritt zur dortigen „Volksbund“- Organisation lange ablehnend gegenüber, mussten jedoch beides hinnehmen. Der „Volksbund“ trat zwar offen nationalsozialistisch auf. Doch dem Ziel der Unterordnung der gesamten deutschen Bevölkerung suchte der Staat bis 1944 rechtliche und symbolische Grenzen zu setzen. So blieb es zum Beispiel dabei, dass grundsätzlich Mitglieder der „Deutschen Jugend“ („Volksbund“), wie alle männlichen Jugendlichen, die Pflicht hatten, der Staatsjugend Levente beizutreten. Mezger zeigt Strategien auf, dieses Gesetz zu umgehen, oder aber sich damit zu arrangieren (S. 272–277). Das zentrale Feld der Diskurse um Minderheiten und Volksgruppen war aber das Schulwesen: Trotz gegenteiliger Versuche, und im Unterschied zum Banat, blieb in der Batschka zumindest das Volksschulwesen für die deutsche Minderheit in staatlicher Hand und auf diese Ziele ausgerichtet. Und das bedeutete, dass wegen ungenügender Kenntnisse der Staatssprache ein Großteil der deutschen Lehrer entlassen wurde. Die Konfrontation zwischen den „ungarisch“ gesinnten Lehrern und den nun betont „deutsch“ auftretenden Jugendlichen ist eines der häufigsten sujets in Mezgers Interviews.

Bemerkenswert ist, dass aus dieser Polarisierung und der regionalen Situation heraus, eine „Bewegung“ Zulauf fand, die sich wesentlich darauf stütze, dass sie der Ethnisierung der weltanschaulichen Konfliktlinie „Volksbund“-Kirche symbolisch widersprach. In den katholischen Hochburgen der Westbatschka hatten schon die „Erneuerer“ der 1930er-Jahre mit dem Pfarrer von Apatin, Adam Berenz, und der Zeitschrift „Die Donau“ Gegner gefunden. Ermutigt von den Behörden, entwickelte sich ab 1941 daraus eine katholisch-konservative Opposition zum „Volksbund“. Das Fortbestehen kirchlicher Jugendgruppen in der Batschka gehörte zu den Rahmenbedingungen. Ab 1942, bis zur deutschen Besetzung 1944, kann darum in dieser Gegend von zwei „Lagern“ in der deutschen Minderheit gesprochen werden: Die, besonders im Zusammenhang mit den Mobilisierungsaktionen zur Waffen-SS 1942/43, oft kämpferische Konfrontation von „Schwarzen“ und Nationalsozialisten auf den Dörfern reichten bis zu Schlägereien, Beschmieren von Häusern und Vandalismus. Neben Zeitungen „beider Seiten“ ist für diesen Bereich der „Fond Kulturbund“ ein zentraler Quellenbestand. Durch die Auswertung des „Jugendrufs“ arbeitet Mezger weitere Nuancen heraus. Sie konstatiert, dass die erwähnte Konfrontationslinie von Interviewpartnern beider Seiten aus der Batschka thematisiert und mit Bezug zur Familiengeschichte reflektiert wird.

Das Buch von Caroline Mezger ist ein profunder Beitrag zur Zeitgeschichte deutscher Minderheiten in Südosteuropa und es ist eine Studie zur Jugend im Nationalsozialismus in einem besonderen kulturellen und historischen Raum. Einige Fragestellungen und Ergebnisse gehen über den engeren thematischen Rahmen hinaus, so wurden Quellenbestände ausgewertet, die auch als Beitrag zur katholischen Opposition gegen den Nationalsozialismus relevant sind. Den Untersuchungsgegenstand stellen die Perspektiven von „Deutschen“ im Wesentlichen als Selbstbilder dar. Es ist aber auch eine Studie, die in vorbildlicher Weise nach variierenden Deutungen, Meinungslagern und Handlungsoptionen dabei fragt.

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